Ines Balcik* sorgt seit 30 Jahren dafür, dass Publikationen von der Werbeanzeige bis zum Fachbuch in gutem Deutsch und möglichst ohne Rechtschreibfehler erscheinen.

Sie studierte Französisch, Arabisch und VWL in einem der damals (Ende der 1970er-Jahre) neuen interdisziplinären Studiengänge. Sprache und Sprachen, besonders in ihrer schriftlichen Form, liebte sie schon in der Schule. Diktate schrieb sie gerne und Grammatikstunden im Lateinunterricht waren keine Schreckgespenster. Die Kombination aus Sprachen und Wirtschaft im Studium versprach eine Kombination des Angenehmen mit dem Nützlichen. Dass Ines Balcik schließlich auch ohne Germanistikstudium in ihrem Traumberuf Lektorin landete, ergab sich mit den Jahren, in denen sich viele Mosaiksteine zum beruflichen Ganzen fügten. Die Lektorin und Autorin wohnt eine halbe Stunde nördlich von Frankfurt im hessischen Florstadt und ist inzwischen meist als digitale Nomadin reisend und arbeitend unterwegs.

Astrid Böhmer* befragte Ines Balcik für „Schreiben als Beruf“ zum Thema „Was macht eine Lektorin aus?“.

Ines Balcik

Du hast viele Bücher zum Thema richtiges Schreiben verfasst, auch für Verlage wie Pons oder Duden. Bist du mit einer Mission gesegnet, die du für uns formulieren kannst?

Die Vorstellung, dass ich mit missionarischem Eifer auf der Suche nach Rechtschreibfehlern unterwegs sein könnte, erheitert mich sehr. Umgekehrt wird vielleicht ein Schuh daraus: Die Liebe zum geschriebenen Wort ermöglichte es mir letztlich, in dem Beruf zu arbeiten, den ich mir insgeheim immer gewünscht hatte. Eine rationale Erklärung für meine Vorliebe für Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung habe ich nicht. In meiner Kindheit und Jugend war ich begeisterte Bücherleserin. Vermutlich ist das nicht die schlechteste Grundlage für die Entwicklung eines guten Sprachgefühls.

Dann kam Ende der 1990er-Jahre die Rechtschreibreform. Zu der Zeit gab ich Französischkurse bei der Volkshochschule und wurde eines Tages gefragt, ob ich nicht Einführungskurse zur neuen Rechtschreibung halten könnte. Das war ein willkommener Anlass, mich mit den Neuerungen zu beschäftigen, tiefer in die Materie sprachlicher Zweifelsfälle und stilistischer Feinheiten einzutauchen und mein Wissen an andere weiterzugeben.

Warum ist richtiges Schreiben wichtig?

Schreiben ist kein Selbstzweck, sondern eine Form der Mitteilung. Wenn ich möchte, dass das, was ich schreibe, auch verstanden wird, hilft es, sich an die grundlegenden Regeln des Schreibens zu halten. Regeln zu Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik gehören zu den Spielregeln des Schreibens, sie erleichtern die schriftliche Kommunikation. Inwieweit sich jeder einzelne an die Regeln halten kann oder will, steht auf einem anderen Blatt.

Ich vergleiche Schreiben gerne mit Kleidung und Mode: Auch der Schreibstil verrät viel über den Schreibenden und die Sorgfalt, die er auf seine schriftliche Kommunikation verwendet. Außerdem darf zu unterschiedlichen Zeiten und Gelegenheiten der Sprachstil natürlich wechseln, in einem Messenger etwa schreibt man anders als in einem Bewerbungsschreiben. Möglichst richtige Rechtschreibung halte ich in jedem Fall für erstrebenswert. Sie hat, da bin ich sehr altmodisch, viel mit Höflichkeit gegenüber den Empfängern des Geschriebenen zu tun: „Richtig“ Geschriebenes lässt sich leichter und angenehmer lesen.

Im Übrigen wird in Internetzeiten nicht weniger gelesen und geschrieben als früher, aber anders: kürzer, schneller. Dass sich Schreibgewohnheiten ändern und deshalb auch Regeln von Zeit zu Zeit an den veränderten Sprachgebrauch angepasst werden, sollte sich von selbst verstehen.

Welche Mindestroutine außer der automatischen Rechtschreibprüfung sollte jeder einhalten, der schriftlich kommuniziert – von der Mail bis hin zum Manuskript?

Das Geschriebene weglegen bzw. eine Weile ruhen lassen und (mindestens) noch einmal lesen, das ist die grundlegende Empfehlung. Je nach Art des Textes durchläuft das Geschriebene mehrere Bearbeitungsstufen, das betrifft Texte von Textprofis ebenso wie die von Gelegenheitsschreibern.

Bitte Vorsicht bei der Rechtschreibprüfung: Sie kann dabei helfen, Buchstabendreher o Ä. aufzuspüren, als alleiniges Korrekturwerkzeug ist sie nicht geeignet. In einem Zweifelsfall sollte man lieber einmal mehr in einem Fachbuch nachschlagen bzw. in einer verlässlichen Onlinequelle nachsehen. Das machen übrigens auch professionelle Lektorinnen.

Insbesondere Korrektorat ist ja sowas wie die Putzfrauenarbeit am Text. Es hat auch was Buchhalterisches. Ich stelle mir vor, dass man dafür ein bestimmter Typus Mensch sein muss. Was macht eine gute Lektorin aus, was einen guten Korrektor?

Es stimmt schon: Reines Korrekturlesen kann etwas Buchhalterisches haben. Das gilt vor allem dann, wenn man einen Text vor sich hat, der schon viele Entwicklungsstadien zur Glättung von Stil und Grammatik durchlaufen hat und bei dem es wirklich nur noch um ein Schlusskorrektorat für den Rechtschreib- und Zeichensetzungsfeinschliff geht. Das geht auf jeden Fall schneller und leichter von der Hand als umfangreiches Lektorat. Ich könnte mir aber nicht vorstellen, ausschließlich Korrektur zu lesen. Wahrscheinlich muss man dafür deutlich pingeliger sein, als ich es bin.

Was ist das Schwierige an dem Job?

Kein Mensch ist perfekt, auch Korrektorinnen und Lektoren nicht. Das bedeutet, dass auch Profis Fehler machen bzw. Fehler übersehen. Jeder kennt nette Beispiele für das Zuschlagen des Fehlerteufels, etwa wenn aus dem „Dienstleister“ versehentlich eine „Dienstleiter“ wird oder aus der „Betriebswirtschaft“ ein „Betriebswirtschaf“. Solche Fehler sind leicht als Tippfehler zu entlarven.

Schwieriger ist es, wenn man als Korrektorin einen schon gesetzten Text zum Korrekturlesen erhält und feststellt, dass das größte Problem darin gar nicht die Rechtschreibfehler sind. Grundlegendere stilistische und grammatische Mängel lassen sich nicht mit einem schnellen Korrektorat beheben.

Schlampig verfasste Texte zu verbessern ist einfach, da jede Korrektur ein Schritt nach vorn ist. Wie gehst du mit scheinbar perfekten Texten um?

Beim Korrektorat findet man eigentlich immer etwas, und wenn es nur ein Verbesserungsvorschlag ist. Wenn ein Text wirklich perfekt ist, dann ist das wunderbar und ich freue mich!

Wie ist dein Arbeitsrhythmus? Wie bleibst du wachsam?

Ich bin eine Morgenarbeiterin. Gerade bei wichtigen Korrektoraten gucke ich gerne am Morgen noch einmal über den Text, weil ich da am aufmerksamsten bin. Abwechslung muss außerdem sein, ich arbeite in mehreren Bereichen und in der Regel an verschiedenen Projekten. Mehr als eine Stunde reines Korrekturlesen am Stück finde ich schwierig. Beim Korrekturlesen hilft es auch, sich in einem Arbeitsgang jeweils auf bestimmte Aspekte zu konzentrieren, z. B. auf bestimmte formale Dinge in Bildunterschriften oder Überschriften. Beim Lektorat gibt es sowieso unterschiedliche Arbeitsstufen, die für Abwechslung sorgen, je nach Projekt.

Korrektorat: PDF, Redaktionssystem oder Papier?

Heute spielt sich Korrektorat meist im PDF ab, Lektorat und Redaktion in der Regel in Word. Mit Redaktionssystemen habe ich als Lektorin und Korrektorin wenig zu tun.

Es gibt Kolleginnen, die auf Arbeit an Papierausdrucken schwören, aber ich schätze die Arbeit am Bildschirm mit den Möglichkeiten beliebiger Vergrößerung der Schrift und vor allem der Durchsuchbarkeit der Texte. Vor gut 15 Jahren musste auf Kundenwunsch noch vieles ausgedruckt werden. Inzwischen ist die Arbeit am Bildschirm die Regel.

Tools: Welche liebst du?

In all den Jahren habe ich einige Tools kommen und gehen sehen, entsprechend wechseln meine Vorlieben. Meinen Dauerbrenner unter den Lieblingstools verrate ich gerne, das ist etwas ganz Simples: Sticky Notes, ein Notizzettel-Tool für Windows. Ich finde das praktisch, um schnell mal zwischendurch etwas zu notieren, bevor es entweder im passenden Ordner landet oder als erledigt gelöscht werden kann. Generell bin ich dankbar für digitale Nachschlagewerke. Von Fortbildungen und aus Zusammenarbeit mit Kolleginnen weiß ich, dass meine Vorliebe für Tabellenprogramme nicht unbedingt typisch für Lektoren ist. Ich packe jedenfalls gerne alles Mögliche in Tabellen. Ansonsten versuche ich, die Programme und Betriebssysteme, mit denen ich arbeite, immer möglichst aktuell zu halten.

Was muss eine freiberufliche Autorin und Lektorin tun, damit sie gut verdient? Das ist relativ, aber ich meine damit: Rechnungen können locker bezahlt, Kinder finanziert werden, dazu gutes Essen, Wohneigentum, ab und an mal Urlaub, heiles Auto, Altersvorsorge.

Netzwerken! Mir jedenfalls haben berufliche Netzwerk wie der Texttreff und der Verband Freier Lektoren und Lektorinnen dabei geholfen, einerseits kalkulieren zu können, was meine Arbeit überhaupt wert ist, und andererseits erfolgreiche Kolleginnen als Vorbilder vor Augen zu haben. In Netzwerken findet man außerdem praktischen Rat und möglicherweise sogar neue Aufträge.

Einfach ist es nicht, das richtige Maß zu finden zwischen Berufserfahrung sammeln und angemessen zu verdienen. Auch und gerade am Anfang sollte man nicht den Fehler machen, in der Hoffnung auf Aufträge die eigene Arbeit zu billig zu verkaufen, denn aus der Billigspirale kommt man schwer wieder heraus. Eine Arbeitsstunde ist eine Arbeitsstunde, ob ich für Privatleute arbeite oder für Unternehmen; zum Schluss muss meine Kalkulation aufgehen. Möglicherweise hilft es gerade am Anfang aber auch, wenn man zusätzlich einen Teilzeitangestelltenjob hat, der für ein regelmäßiges Einkommen sorgt.

Vielen Dank für das Interview!

Texte verbessern in 14 Schritten

1. Ist die Kernbotschaft in Struktur und Inhalt des Textes erkennbar?

2. Sind alle wichtigen Fakten schlüssig eingebaut? Können unwichtige Fakten raus?

3. Was ist überflüssig? Alles, was Sie streichen können, ohne dass die Verständlichkeit und der Lesefluss leidet, kann raus.

4. Steht das Wichtige vorn? Das sollte es im Text als Ganzes und in den einzelnen Absätzen.

5. Passt der Schluss zum Anfang? Anfang und Ende sollten den Artikel wie eine Klammer zusammenhalten.

6. Lässt sich der Text gut lesen? Rhythmus, Tonalität und Lesetempo sind entscheidend für die Qualität. Lesen Sie sich den Text laut vor!

7. Haben Sie gute Formulierungen gefunden? Gibt es missverständliche Formulierungen, Fremdwörter/Fachwörter oder schiefe Metaphern?

8. Lassen sich Wortwiederholungen vermeiden? Vorsicht bei der Suche nach Synonymen: Rufen ist nicht das gleiche wie schreien. Nicht mit aller Gewalt variieren, sondern so, dass es zum Ton passt.

9. Suchen Sie nach einem aktiven Verb, wenn Ihnen eine passive Formulierung begegnet!

10. Ist ihr Text langweilig? Enthält Ihr Text die stets gleichen Füllwörter, müde Floskeln und ausgelutschte Adjektive? Bitte prüfen, ob sie immer notwendig sind. Wahrscheinlich eher nicht.

11. Haben Sie den Text durch Absätze und Zwischenüberschriften aufgelockert? Absätze und Überschriften helfen dem Leser, den Gedanken des Autors zu folgen – und dem Auot, den Roten Faden in den Fingern zu halten.

12. Leidet Ihr Text an Schachtel- und Bandwurmsätzen? Befreien Sie ihn!

13. Sie da noch Rechtschreib- und Grammatikfehler? Die sieht man oft in den eigenen Texten nicht. Da hilft nur zeitlicher Abstand, penibles Lesen oder ein zweites Paar Augen.

14. Testleser dazu holen! Wenn Sie sich ganz unsicher sind, holen Sie sich eine unabhängige Meinung ein, bevor Sie mit Ihrem Text an die Öffentlichkeit gehen.

Quelle: Barbara Stromberg // Textorama

* Was hat Ines Balcik geschrieben? Schaut gerne hier bei Amazon (Promo-Link)!

Das Interview führte Astrid Böhmer (Astrid Böhmer BASIC PR & CORPORATE PUBLISHING)

Astrid Böhmer macht seit 20 Jahren Geschäftsberichte. Sie sieht das als eine Art des Porträtzeichnens: Es geht darum, die Stärken eines Unternehmens herauszufinden, grob zu skizzieren und dann fein herauszuarbeiten. Im Sommer stellt sie dieses Know-how kleineren Unternehmen und Verlagen zur Verfügung – für positionierende Webtexte, Lektorate und seit einer Sprecherausbildung auch in Form von Hörbarem.

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