Im Netzwerk Texttreff gibt die wunderbare Tradition des Blogwichtelns. In diesem Jahr wurde „Schreiben als Beruf“ von Anne Webert vom gleichnamigen Medien- und Veranstaltungsbüro mit einem Gastbeitrag beschenkt. Durch ihre wundervollen Kontakte in die Fernseh- und Theaterwelt hat sich ein Interview mit dem Kabarettisten Nils Heinrich ergeben. Danke dafür!

Herausgekommen ist ein lockeres Gespräch rund um das Schreiben und Leben als Kabarettist.

2019_Nils_Heinrich_Aufstand_©Stefan_Maria_Rother

Nils Heinrich bezeichnet sich selbst als „tiefenentspannten Satiriker unter den Kabarettisten“. Seine Texte sind klug und böse – da bleibt einem das Lachen doch ab und an im Hals stecken. Dabei ist er eigentlich ein durchweg freundlicher Mensch und tummelt sich seit fast 20 Jahren erfolgreich auf Preisverleihungen, Bühnen, so wie in Funk und Fernsehen.

Wenn du dich als Kabarettist mit einem Thema auseinandersetzt, was ist für dich der Ausgangspunkt? Hast du ein Thema, eine Pointe, eine Person – wo beginnt es für dich? Wie kommt die Idee: darüber möchte ich jetzt was schreiben, ein Lied, eine Geschichte machen?

Der Ausgangspunkt ist auf jeden Fall mein Standpunkt dazu. Wie stehe ich persönlich zu einem Thema.

Nehmen wir mal als Beispiel Brexit: was halte ich davon, lasse ich mich von der Hysterie leiten, die man liest? Oder versuche ich die Gründe der Leute nachzuvollziehen, die für den Brexit gestimmt haben? Wenn ich die Gründe verstanden habe, entwickle ich Sachen daraus, die meiner Meinung nach auf der Bühne funktionieren und die die Leute nicht langweilen.

Ich versuche erst mal meinen Standpunkt rauszufinden und das ist heute gar nicht so leicht. Man ist ja wirklich sehr viel häufiger in den Medien unterwegs als früher. Früher hast du einmal in der Stunde eine Nachrichtensendung gehört und das war es dann. Aber heute holst du alle 5 Minuten das kleine Suchtteil raus und guckst auf Spiegel-online, was gerade Sache ist.

Und da die Artikel heutzutage auch sehr viel stärker mit einer Meinung formuliert werden, ist es gar nicht so leicht, diese Meinung dann nicht zu übernehmen. Und sich selber eine zu bilden. Da muss man sich die Zeit nehmen und erst mal selber raus finden: wie stehe ich eigentlich dazu. Ohne mich von irgendjemandem beeinflussen zu lassen. Also das versuche ich erst mal und dann schreib ich was dazu, wenn mir was Lustiges einfällt. Wenn nicht, dann nicht.

Wo liegt dein Schwerpunk, wo deine Leidenschaft als Kabarettist? Dein Programm ist eine Mischung aus Gesellschaft und Politik. Aber welches Thema lässt dich nie los?

Also mein Schwerpunkt – wenn es nicht so tragisch wäre und wenn man daraus was Lustiges machen könnte – wäre tatsächlich der Klimawandel. Weil wir da definitiv in eine größere Katastrophe reinrasseln. Aber daraus kannst du leider nichts Unterhaltsames auf der Bühne machen. Und ich möchte auch keinen Saal voll betroffener Menschen vor mir sitzen haben und die Stimmung runterziehen, denn ich mache Unterhaltung.

Und da verballere ich dann tatsächlich auch viele private und persönliche Erlebnisse. Die auch anderen passieren und der Wiedererkennungswert macht es dann unterhaltsam und lustig für die Leute.

Unter dem Begriff Humor sammelt sich viel: Ironie, Sarkasmus, Komik. Es ist immer eine Gratwanderung – man rutscht von einem ins andere. Worauf muss man deiner Meinung nach aufpassen? Ist es dir auch schon mal passiert, dass du dachtest – oh, das hatte ich anders geplant, als es jetzt tatsächlich angekommen ist?

Ja, das findet man auf der Bühne raus, wenn sich das gesellschaftliche Humorverständnis modernisiert hat. Zum Beispiel so platte Chauvigags aus den 80ern, wie sie Jürgen von der Lippe teilweise heute noch bringt, die funktionieren nicht mehr so, wie sie mal funktioniert haben.

Da ändert sich permanent was. Da muss man dann vielleicht mal drauf verzichten, es sei denn, man will den Saal gegen sich aufbringen. Oder man muss mal sein Weltbild auf die Waage stellen und gucken, was damit vielleicht nicht stimmt oder was man da selber modernisieren könnte. Eigentlich kriegt man das nur raus durch „Machen“ – auf der Bühne. Und wenn was nicht funktioniert, dann machst du es halt nicht noch mal.

Aber es hängt ja auch mit dem Abend, der Location und dem Publikum zusammen… es gar nicht mehr zu machen, ist vielleicht schade.

Man muss immer ein bisschen Feintunen. Ein ganz einfaches Beispiel sind Sachen aus der Welt des Internets. Die kannst du natürlich vor einer einfachen Dorfbevölkerung, die jenseits der Siebzig ist, nicht anbringen. Weil die das einfach nicht verstehen. Die wissen teilweise nicht, was Skype ist, denen ist auch Twitter scheißegal. So was musst du dann einfach unter den Tisch fallen lassen. Da muss man sich schon anpassen – es gibt einen ganz deutlichen Unterschied zwischen urbanem und ländlichem Humor in Deutschland.

Wenn eine Kollegin oder ein Kollege ein Thema aufgreift, dass du toll findest. Ist das ein Grund es nicht zu bringen oder suchst du nur nach deiner Version es anzugehen?

 Erst mal weiß ich ja nicht, welche Kollegin oder welcher Kollege das Thema aufgreift, weil ich mir nicht so viel angucke. Ich hab mich vor Jahren mal stärker für Kabarett oder Comedy interessiert, aber seit einigen Jahren gibt es ja eine Überdosierung. Es gibt ganz, ganz viele Sendungen im Fernsehen und an jeder Ecke eine Show. Ich muss mir das nicht permanent reinziehen, ich habe auch andere Sachen, die mich interessieren. Und wenn ich merke, dass jemand ein ähnliches Thema hat oder vielleicht das gleiche beackert, dann höre ich mir das an und stelle fest: oh ja, der hat andere Gags, aber meine gefallen mir besser!

Dieses Interview ist für den Blog „Schreiben-als-Beruf“ und es gibt viele Menschen, die es schwierig finden humorvoll zu schreiben. Glaubst du, dass man es lernen kann und mit ein paar Tricks weiter kommt, oder bist du der Meinung, dass Humor ein Teil von dir sein muss, um witzig zu schreiben?

 Ja  – die letzte Version ist die richtige. Wer keinen Zugang dazu hat, der sollte es lassen. Ich könnte zum Beispiel auch nicht Krimis schreiben. Ich persönlich habe Spaß dran lustige Texte zu schreiben und muss dann teilweise schon beim Schreiben kichern. Manchmal weiß ich auch sofort schon, was auf der Bühne definitiv funktionieren wird. Bei anderen Sachen bin ich ein bisschen überrascht über die Reaktion, weil die an einer Stelle kommt, wo ich nie damit gerechnet hätte. Aber das ist dann auch in Ordnung.

Also wenn man keinen Zugang zu Humor hat – lernen kann man das glaube ich nicht. Man kann es vielleicht verfeinern im Laufe der Zeit. Aber man muss es schon in sich tragen.

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