Lisa Krawczyk ist Copywriterin im Marketing eines Software-Unternehmens.
Für die Interviewreihe „Die KI und ich – Wie die KI meine Arbeit verändert hat“ hat sie sich sehr viel Zeit genommen, um die Fragen ausführlich zu beantworten und gibt uns einen tiefen Einblick in ihre Arbeit.
Ihr Fazit:
KI macht es einfacher, Texte zu schreiben – aber nicht, gute Texte zu schreiben.
INHALT:

Foto: Lisa Krawczyk
Einstieg & Überblick
Kannst du uns kurz deinen beruflichen Hintergrund und deine Spezialisierung erläutern?
Ich bin Copywriterin im Marketing eines Software-Unternehmens und texte alles, was zur externen Unternehmenskommunikation gehört – von Website-Content über Whitepaper bis hin zu Social Media.
Darüber hinaus liegt mir persönlich inklusive Sprache am Herzen. In Vorträgen und Workshops zeige ich, wie Unternehmen diversitätssensibel kommunizieren können.
Wenn ich mich mit KI beschäftige, dann immer aus diesen beiden Perspektiven.
Wann und wie bist du zum ersten Mal mit KI-basierten Schreibwerkzeugen in Berührung gekommen?
Das war noch zu meiner Zeit in einer Agentur, als ChatGPT Ende 2022 für alle verfügbar wurde. Plötzlich war dieses Tool da – und niemand wusste so genau, wie man es eigentlich einsetzt. Es kam unerwartet, war plötzlich in aller Munde, und doch blieb die große Frage: Was machen wir jetzt damit?
Schnell war klar, dass es unsere Arbeit als Texter*innen grundlegend verändern würde – mit vielen positiven Effekten, aber auch potenziellen Risiken. Aber wie genau? Das wusste erstmal keiner. Also blieb nur eins: Learning by Doing. Ich glaube, ich habe ChatGPT damals sogar direkt gefragt, wie es mir bei meiner Arbeit helfen kann – ha ha.
Welche KI-Tools oder -Anwendungen nutzt du derzeit am häufigsten in deinem Arbeitsalltag?
ChatGPT, täglich und durchgehend. Ich habe immer ein Fenster offen – sei es für erste Ideen, schnelle Umformulierungen oder um auf neue Perspektiven zu kommen.
Außerdem experimentiere ich privat mit KI für Bildsprache, weil visuelle Vielfalt genauso wichtig ist. Da nutze ich am liebsten Leonardo – gibt die besten Ergebnisse und funktioniert auch mit kostenfreiem Account super.
Positive Auswirkungen
In welchen Bereichen hat KI deine Arbeitseffizienz gesteigert? Kannst du konkrete Beispiele nennen?
In so ziemlich allen! Von der Konzeption über die Recherche und Texterstellung bis hin zur Qualitätskontrolle – mit KI geht alles schneller.
Ein Beispiel: Vor Kurzem musste ich eine komplette Marketingkampagne texten, inklusive LinkedIn-Posts, einem umfangreichen Guide, Videoskripten – das volle Paket eben. Normalerweise hätte das mehrere Tage in Anspruch genommen. Mit KI war ich in etwas mehr als einem Tag durch.
Wie das geht? Man fängt nie mehr bei null an. Kein Starren auf ein leeres Blatt, sondern direkt eine erste Grundlage, mit der man arbeiten kann – und das muss nicht mal ein fertiger Textentwurf sein. Oft reicht schon eine grobe Struktur, eine Argumentationslinie oder ein alternativer Ansatz, um den Einstieg zu erleichtern.
Hat KI dir geholfen, neue kreative Ansätze zu entwickeln oder „Schreibblockaden“ zu überwinden? Wenn ja, wie?
Ja, auf jeden Fall. Manchmal habe ich nur eine grobe Idee, die ich mit ChatGPT verfeinern kann. Was früher ein Brainstorming mit zwei oder mehr Personen gebraucht hätte, erledige ich jetzt oft direkt mit KI. Sie ist wie ein Sparringpartner, mit dem ich Ideen durchspielen oder Formulierungen austesten kann, bis das Richtige dabei herauskommt.
Gerade wenn der kreative Funke mal fehlt oder ich gedanklich festhänge, hilft das enorm. KI bringt Bewegung in den Prozess und verhindert, dass man sich im Kreis dreht.
Aber es gibt auch eine Kehrseite: Man gewöhnt sich sehr schnell an diese Unterstützung. Ist ChatGPT mal nicht verfügbar, fühlt es sich plötzlich an, als würde ein wichtiges Werkzeug fehlen. Das kann einen ziemlich ausbremsen, weil man sich daran gewöhnt hat, immer sofort einen Impuls oder eine Hilfestellung zu bekommen.
Deshalb versuche ich, KI bewusst als Ergänzung zu nutzen – als wertvolles Tool, aber nicht als Ersatz für eigene Kreativität und Denkarbeit.
Gibt es bestimmte Aufgaben, die du dank KI nun schneller erledigen kannst und durch die du mehr Zeit für andere Aspekte deiner Arbeit hast?
Eigentlich nutze ich KI für fast alles in irgendeiner Form – deshalb würde ich weniger von einer Verlagerung sprechen, sondern eher davon, dass ich in derselben Zeit einfach mehr schaffe.
Routineaufgaben wie Umformulierungen, erste Textentwürfe oder Recherchen gehen deutlich schneller, sodass mehr Raum für Feinschliff, kreative Ideen und strategische Überlegungen bleibt.
KI nimmt mir keine Aufgaben ab, aber sie sorgt dafür, dass ich sie effizienter erledige.
Herausforderungen & negative Aspekte
Welche Herausforderungen oder Schwierigkeiten hast du bei der Integration von KI in deinen Workflow erlebt?
Die größte Herausforderung am Anfang war, dass es kaum klare Richtlinien gab. KI-Tools wurden verfügbar, aber es stellte sich die Frage: Welche Daten darf ich eingeben? Wo sind die Grenzen? Wie unterscheide ich hilfreiche von fehlerhaften Antworten? Vieles musste ich mir selbst erarbeiten, oft durch Trial-and-Error.
Was mir auch aufgefallen ist: Die Qualität der Antworten schwankt. Manchmal sind die Ergebnisse erstaunlich präzise, manchmal bleibt alles sehr oberflächlich oder die KI verliert sich in Wiederholungen. Das könnte an der Auslastung der Server liegen – wenn viele Anfragen gleichzeitig gestellt werden, scheint das Modell weniger gründlich zu arbeiten.
Auch Modell-Updates können dazu führen, dass sich Antworten plötzlich anders anfühlen.
Zusätzlich gibt es noch Reset-Effekte: Bei großen Kontexten tendiert ChatGPT dazu, sich auf ältere Teile der Konversation zu verlassen oder wird inkonsistenter, widerspricht sich. Bei längeren Sitzungen kann die KI auch plötzlich in Wiederholungen verfallen oder an Präzision verlieren.
Das macht die Nutzung manchmal unberechenbar, weshalb ich bestimmte Aufgaben lieber selbst erledige, statt mich zu 100 % auf die KI zu verlassen. Aber genau das ist für mich der Schlüssel: KI als wertvolles Werkzeug nutzen, aber immer mit einer kritischen Haltung und dem Bewusstsein, dass sie kein Ersatz für eigenes Denken ist.
Inwieweit hat sich deine Rolle durch den Einsatz von KI verändert? Siehst du die Gefahr einer Entwertung bestimmter Fähigkeiten?
Ich weiß, dass KI meine Arbeit nicht nur schneller, sondern oft auch besser macht – weil ich als Text-Profi bewerten kann, welche Inhalte wirklich gut sind und wo nachgebessert werden muss.
Die größere Frage ist aber: Können das auch andere? Sehen Menschen ohne tiefere Texterfahrung den Unterschied zwischen einer sorgfältig optimierten KI-Unterstützung und einem lieblos generierten Copy-Paste-Text aus einer einfachen Eingabe?
Hier liegt für mich die eigentliche Herausforderung. KI macht es einfacher, Texte zu schreiben – aber nicht, gute Texte zu schreiben. Das Risiko besteht darin, dass weniger Fachkundige den Wert sprachlicher Feinheiten, Tonalität oder strategischer Botschaften unterschätzen. Ich glaube nicht, dass meine Fähigkeiten entwertet werden – aber sie werden anders wahrgenommen, weil sich das Verständnis davon, was „gute Texte“ ausmacht, verändert.
Wie stellst du sicher, dass die Qualität deiner Arbeit nicht unter dem Einsatz von KI leidet?
Copy & Paste ist für mich ein absolutes No-Go. KI kann mir Vorschläge liefern, aber kein fertiges Ergebnis. Jeder Text wird überarbeitet, verfeinert – und oft noch ein weiteres Mal optimiert, mit und ohne KI, bis er wirklich passt.
Neben meinem eigenen Qualitätsanspruch spielen auch meine Kolleg:innen eine wichtige Rolle. Sie beurteilen, ob die inhaltliche Korrektheit stimmt und ob die Intention des Textes erreicht wurde. Ihr kritischer Blick hilft, sicherzustellen, dass ein Text nicht nur formal gut klingt, sondern auch genau das transportiert, was er soll.
KI ist ein starkes Werkzeug – aber die Verantwortung für die Qualität bleibt immer bei uns Menschen.
Ethische und zukünftige Überlegungen
Welche ethischen Fragen oder Bedenken siehst du im Zusammenhang mit der Nutzung von KI im Schreibbereich (z.B. Urheberrecht, Originalität, Transparenz)?
Wenn KI schlecht genutzt wird, klingt irgendwann alles gleich – glatte Texte, null Aussage. Einheitsbrei auf Knopfdruck. Noch problematischer wird es, wenn es an Qualitätskontrolle fehlt: Dann schleichen sich Fehler ein, und falsche Informationen werden massenhaft verbreitet.
Deshalb bin ich für eine verpflichtende Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten. Aber mit Differenzierung: Es macht einen großen Unterschied, ob ein Text mit Unterstützung von KI entstanden ist oder ob er vollständig von einer Maschine generiert wurde. Das sollte transparent gemacht werden.
Ein weiteres großes Bedenken ist der Bias. In KI-gestützten Schreibtools ist er weniger offensichtlich als bei Text-zu-Bild-KIs, wo stereotype Darstellungen oft sofort ins Auge fallen. Aber genau das macht ihn gefährlicher – weil er subtil in den Text einfließt und unbemerkt Vorurteile reproduziert. Beispielsweise neigt KI dazu, geschlechtsspezifische Rollenbilder zu verstärken oder kulturelle Stereotype zu übernehmen.
KI denkt in Wahrscheinlichkeiten, nicht in Werten – wenn wir sie unreflektiert nutzen, programmieren wir Vorurteile einfach weiter. Wer mit KI schreibt, muss sich dieser Einflüsse bewusst sein und aktiv gegensteuern.
Welche Kompetenzen oder Fähigkeiten werden deiner Meinung nach in Zukunft in deiner Branche besonders wichtig sein, um sich im Zeitalter der KI zu behaupten?
Ein zentraler Skill wird gutes Prompting sein. Wer die richtigen Fragen stellt, bekommt auch die besseren Antworten. Die Fähigkeit, KI gezielt zu steuern und präzise Prompts zu formulieren, ist essenziell. Gleichzeitig wird es immer wichtiger, systematisch zu arbeiten – etwa bei der schrittweisen Entwicklung komplexer Texte oder Kampagnen.
Wichtiger wird auch die Qualitätssicherung. KI kann Texte generieren, aber nicht bewerten. Es braucht Menschen, die erkennen, ob ein Text wirklich gut ist – inhaltlich, stilistisch und strategisch. Das bedeutet: Feinschliff, Nuancen herausarbeiten, unpassende Formulierungen eliminieren und sicherstellen, dass der Text die gewünschte Wirkung erzielt.
Gleichzeitig wird Kreativität und Originalität gefragter denn je. KI kann bestehende Muster reproduzieren, aber keine echten neuen Ideen entwickeln. Sie schreibt, was sie gelernt hat – aber das, was aus der Masse heraussticht, entsteht nicht durch Wiederholung, sondern durch neue Gedanken, durch ungewöhnliche Perspektiven, durch Texte, die überraschen.
Gerade hier zeigt sich der Wert menschlicher Kreativität: in der Fähigkeit, KI-generierte Inhalte weiterzudenken, mit eigenen Ideen zu bereichern und ihnen eine persönliche Handschrift zu geben.
Wie schätzt du die langfristigen Auswirkungen von KI auf die Schreibbranche ein? Wird KI bestimmte Berufe ersetzen oder eher ergänzen?
Ich glaube nicht, dass KI Berufe im Schreibbereich komplett ersetzen wird – aber sie wird sie grundlegend verändern.
Die Arbeit wird effizienter, viele Standardaufgaben lassen sich automatisieren, und Unternehmen werden mit weniger personellem Aufwand mehr Content produzieren können. Das bedeutet, dass der Bedarf an klassischen Texter*innen möglicherweise sinkt, gleichzeitig aber neue Anforderungen entstehen.
KI wird Berufe im Schreibbereich also nicht abschaffen, sondern verschieben: weg von reiner Textproduktion, hin zu kreativer, strategischer und kuratierender Arbeit.
Welchen Rat würdest du anderen in deiner Branche geben, die sich mit dem Thema KI auseinandersetzen möchten?
Das mag abgedroschen klingen, aber: Der beste Zeitpunkt, um sich mit KI auseinanderzusetzen, war gestern. Es geht nicht mehr darum geht, ob man KI nutzen will oder wird, sondern wie. KI ist längst Teil der Schreibbranche, und wer sich nicht mit ihr beschäftigt, wird irgendwann ins Hintertreffen geraten.
Es geht nicht darum, sie kritiklos zu übernehmen, sondern zu verstehen, wie man sie sinnvoll einsetzt – wo sie hilft, wo sie Grenzen hat und wie man sie für sich arbeiten lässt, statt sich von ihr ersetzen zu lassen.
Mein Tipp: Einfach ausprobieren. ChatGPT öffnen, verschiedene Prompts testen, herausfinden, was funktioniert – und was nicht.
Aber nicht nur allein im stillen Kämmerlein herumprobieren, sondern den Erfahrungsaustausch mit anderen suchen. Der Austausch anderen KI-Nutzer*innen hilft, schneller herauszufinden, welche Methoden wirklich funktionieren. Man lernt voneinander, entdeckt neue Prompting-Techniken und bekommt Impulse, auf die man alleine vielleicht nicht gekommen wäre.
KI ist ein dynamisches Feld – wer sich nur isoliert damit beschäftigt, verpasst wertvolle Erkenntnisse.