Anke Ernst ist Schreibmentorin und Duden-Autorin.

Für die Interviewreihe Die KI und ich – Wie die KI meine Arbeit verändert hathat sie festgehalten, dass ihre Arbeit umso wertvoller wird, je intelligenter die KI sich zeigt.

Ihr Fazit:

Investiere die Zeit, die Du durch KI sparst, nicht in noch mehr Content, sondern in die Qualität Deiner Texte.

Anke Ernst

Foto: Roland Wittl

Kannst du uns kurz deinen beruflichen Hintergrund und deine Spezialisierung erläutern?

Ich bin Schreibmentorin und Duden-Autorin. Richtig sind bei mir Soloselbständige, die online gefunden und gerne gelesen werden wollen.

Mein Motto: Schreiben ist kein Hexen-, sondern Handwerk. Zu diesem Handwerk gehört inzwischen auch KI.

Inwieweit hat sich deine Rolle als Schreibmentorin durch den Einsatz von KI verändert? Siehst du die Gefahr einer Entwertung bestimmter Fähigkeiten?

Würde ich ausschließlich schreiben, hätte ich sicherlich bald nichts mehr zu tun. Und natürlich grüble ich morgens um 3 manchmal, ob ich übernächstes Jahr noch Geld verdiene. Aber grundsätzlich bin ich positiv gespannt darauf, was wir noch erleben dürfen.

Mein Online-Business, 2015 gegründet, habe ich Die Welt in Deinen Worten genannt. Schon lange geht’s bei mir also um die eigene Schreibstimme. Und, so paradox es klingen mag: je intelligenter KI, desto wertvoller mein Angebot.

Auch die Qualitätskriterien von Google betonen, dass Texte mit menschlicher Erfahrung und Expertise besonders wertvoll sind (E-E-A-T-Prinzip). Viele Suchmaschinen, auch einige KI-gestützte, bewerten sie in ihren Rankings besser.

Gut für mich: KI hat mir schon Kund*innen vermittelt. Einer davon hatte ChatGPT nach der „erfolgreichsten Begleiterin für mich“ befragt. Im Kennenlerngespräch war klar: Es passt. Vermutlich, weil ich sowohl Expertise als auch Haltung und Persönlichkeit in meinen Texten zeige. Wie sonst hätte KI uns matchen können?

 

Wann und wie bist du zum ersten Mal mit KI-basierten Schreibwerkzeugen in Berührung gekommen?

KI fasziniert mich. Einer meiner ersten Gedanken war: „Krass, dann muss ich XY ja nicht mehr selbst machen.“ Warum sollten wir Aufgaben, die wir ungern tun, zum Beispiel Administratives und Repetitives, nicht an sie abgeben?

Zum ersten Mal wurde mir das bewusst, als ich meinen Schreibratgeber „Einfach können – GUTE TEXTE“ (Dudenverlag) schrieb. Ich bin furchtbar schlecht darin, mir Textbeispiele auszudenken, zumal sie aus unterschiedlichen Branchen kommen mussten. Es macht mir auch keinen Spaß.

Also gab ich ChatGPT eine Chance und bat zum Beispiel um fünf Sätze im Nominalstil aus unterschiedlichen Branchen. Keines davon übernahm ich eins zu eins. Aber ich hatte eine Grundlage, von der aus ich deutlich schneller aufzeigen konnte, was ich vermitteln wollte. Innerhalb einer Stunde hatte ich Material, für das ich ohne KI bestimmt einen Werktag gebraucht hätte.

In mir flüsterte eine Stimme: „Darfst du das?“ Ja, das dürfen wir, vorausgesetzt, wir beachten rechtliche und ethische Kriterien. Aus meiner Sicht besteht eine große Herausforderung darin, uns zu erlauben, dass es auch leichter gehen darf.

KI schenkt mir eine neue Freiheit. Und zwar die, mich mehr dem zu widmen, was ich gern tue: schreiben und anderen dazu verhelfen, schreibend ihre Stimme zu finden.

 

In welchen Bereichen hat KI deine Arbeitseffizienz gesteigert? Kannst du konkrete Beispiele nennen?

Zuerst das Naheliegende: Ich nutze KI, um Ideen zu wälzen, meine Zielperson besser kennenzulernen, Texte zu kürzen oder längere Dokumente analysieren zu lassen.

Aber am meisten hilft mir KI bei Aufgaben außerhalb meiner Kernkompetenzen. Zum Beispiel, als ich mithilfe von Perplexity eine Funktion meiner Bezahlsoftware aktualisieren wollte. Schließlich entschied ich doch, den Support zu kontaktieren. „Puh, jetzt ne Mail über was Technisches auf Englisch schreiben …“ Dann fiel mir ein: Das könnte KI übernehmen, zumal sie mein Problem mit mir erörtert hatte. Die Mail war innerhalb von Millisekunden versandbereit.

Auch bekomme ich durch KI Zugang zu neuen Perspektiven. Ein Beispiel: Ich liebe die Selbständigkeit, aber ich stoße öfter an meine Grenzen, was das Geschäftliche angeht. (Am liebsten würde ich meine Erfahrung kostenlos anbieten, wären nicht ein paar Rechnungen zu bezahlen.) Deshalb habe ich mir Agenten (auch GPTs genannt) als Sparringspartner gebaut. Sie beraten mich strategisch, etwa bei der Planung meines Contents oder neuen Angeboten. Wichtig dabei: immer aufmerksam-kritisch bleiben.

Gibt es Aspekte deiner Arbeit, bei denen KI-Tools (noch) keine sinnvolle Unterstützung bieten oder sogar hinderlich sind?

KI labert gerne. Aus meiner Sicht ist es aufwändiger, generierte Texte zu überarbeiten als sie selbst zu schreiben. Das Phänomen verstärkt sich, je weniger wir uns mit dem Thema auskennen. So entstehen Texte mit gefährlichem Viertelwissen.

KI kann uns außerdem nicht zum Wahren und Schönen führen. Klingt vielleicht pathetisch, aber genau das würde uns mit ausschließlichem Einsatz von KI abhandenkommen – und zwar überall da, wo es um menschlichen Kontakt und damit um Einzigartigkeit geht.

Was wir selbst tun sollten:

  • Schreiben: Weil Schreiben auch Denken ist, das uns zu wertvollen Erkenntnissen führt – und unsere Schreibstimme aktiviert.
  • Von unseren Erfahrungen erzählen: Weil diese Form von Storytelling nur mit eigenen Worten funktioniert.
  • In den Dialog treten: Weil, wie der Begriff schon verrät, immer zwei dazu gehören. (Wie soll Verbindung entstehen, wenn Kommentare automatisiert werden?)
  • Feinfühliges Text-Feedback geben: Weil dahinter keine wahrscheinlichkeitsgetreue Abfolge von Worten, sondern ein Mensch mit Herz und Verstand stehen sollte.

Hat die Nutzung von KI-Tools zu einer Erweiterung deines Angebots oder deiner Dienstleistungen geführt?

Unbedingt. Was mich weiterbringt, darf auch meine Kund*innen weiterbringen.

Mein Kernangebot – mein online-Kurs „Der Schreib-Code“ – habe ich um KI-Elemente erweitert (ein paar folgen noch). Integriert ist zum Beispiel der 15-Minuten-Redaktionsplan mit KI, mit dem manche Kund*innen vor lauter Begeisterung ständig neue Ideen generieren (eine hatte fast 100!).

Zusätzlich gibt es den Bonus „Schreiben mit KI – in Deiner Schreibstimme“. Darin zeige ich, wie wir mit KI vor und nach dem Schreiben Zeit sparen, ohne die eigene Persönlichkeit zu verlieren.

Aktuell entwickle ich darauf aufbauend weitere Angebote für Soloselbständige und Unternehmen.

Kurz: Ich nutze KI, um meinen Job noch besser zu machen.

 

Welche Kompetenzen oder Fähigkeiten werden deiner Meinung nach in Zukunft für schreibende Soloselbständige besonders wichtig sein, um sich im Zeitalter der KI zu behaupten?

  1. Im Einklang mit sich selbst zu schreiben und so Texte in der eigenen Stimme zu veröffentlichen. Denn alle anderen Texte kann KI bereits, und sie wird in absehbarer Zeit eine Meisterin darin werden.
  2. Kritisches Denken, um zu hinterfragen, was einem vorgesetzt wird. Nie war es so leicht wie heute, Dinge zu behaupten und sie scheinbar zu belegen.
  3. Interesse für KI oder zumindest eine minimale Bereitschaft, sich mit ihr und ihren Fähigkeiten auseinander zu setzen. Wir müssen nicht nur wissen, was sie kann. Sondern auch, wie gut sie darin ist.
  4. Lektoratskompetenzen, um gute Texte zu erkennen und der KI substanzielles Feedback geben zu können.
  5. Aufrichtiges Interesse an den Menschen, denen wir unsere Dienstleistungen und Produkte anbieten möchten. Oder, um es im Marketingsprech auszudrücken: die Zielgruppe immer besser kennenlernen. Nur so können wir gezielt auf das eingehen, was sie sich wünscht.

Welchen Rat würdest du anderen Schreibenden geben, die sich mit dem Thema KI auseinandersetzen möchten?

Die Optionen, mit KI zu arbeiten, sind endlos. Du musst nicht jetzt sofort alles können. Überlege Dir immer öfter: „Mache ich das gerne und wenn nein, könnte KI das besser?“ So lässt Du Dich in kleinen Schritten von ihr entlasten.

Investiere die Zeit, die Du durch KI sparst, nicht in noch mehr Content, sondern in die Qualität Deiner Texte. Das kann auch bedeuten, den Laptop zuzuklappen und einen Spaziergang zu machen.

Handle im Einklang mit Dir selbst, mit Herz und Verstand. Wir sind diejenigen, die KI steuern und auch gestalten können. Wir können im Rahmen unserer Möglichkeiten beeinflussen, wo die KI-Reise hingeht. Ob diese neue Technologie der Menschheit schadet oder ihr dient.

Darf ich Dich dabei unterstützen, Deine Schreibstimme zu aktivieren? Melde Dich unverbindlich zu den 3-Minuten-Schreibimpulsen, meinem wöchentlichen Newsletter, an. Ich würde mich freuen, Dich in meiner Community zu treffen.

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